Selbstmitgefühl – Klingt nach mimimi…
Selbstmitgefühl oder Selbstfürsorge hört sich nach Frauenzeitschrift an. Vielleicht sogar nach einer Ausrede, nicht sein Bestes geben zu wollen. Irgendwie mimimi?
Vielleicht hast Du bei diesen Aussagen innerlich (teilweise) zugestimmt. Die meisten von uns ordnen das Thema Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl noch einem sehr weichen und femininen und keinesfalls kraftvollen, erfolgsversprechenden Ansatz zu. Und es gibt immer noch einige, die meinen, mitfühlende Menschen müssen ständig sanft, lieb und nett sein. Kristin Neff, eine renommierte Wissenschaftlerin und Autorin unzähliger Studien zum Thema Selbstmitgefühl, unterscheidet zwischen sanftem Selbstmitgefühl (tender self-compassion) und kraftvollem Selbstmitgefühl (fierce self-compassion). Diese beiden Aspekte des Selbstmitgefühls gehören zusammen und können uns beide bei unserer Entwicklung unterstützen.
Sanftes Selbstmitgefühl führt dazu, dass wir uns selbst mit der gleichen verständnisvollen und unterstützenden Art und Weise begegnen, wie wir einer guten Freundin oder einem guten Freund begegnen würden: liebevoll, bestätigend, dass wir nicht allein sind und unseren Gefühlen zugewandt.
Kraftvolles Selbstmitgefühl führt dazu, dass wir Leid lindern wollen und zielt darauf ab, dass wir uns selbst schützen und versorgen. Besonders Frauen, die gesellschaftlich oft eine Rolle zugeordnet bekommen, in der sie nett zu sein haben, angenehm und hübsch anzusehen, kann kraftvolles Selbstmitgefühl unterstützen. Das schließt auch ein, dass wir aufstehen und Nein sagen, Grenzen ziehen und gegen Ungerechtigkeit ankämpfen. Oder wir sagen Ja zu uns selbst, machen das, was uns in diesem Moment guttut, anstatt unsere Bedürfnisse anderen unterzuordnen.
Auch im beruflichen Umfeld geraten Frauen noch immer in Situationen, in denen sie mit ungerechtem und vielleicht sogar übergriffigem Verhalten konfrontiert werden. Dann kann kraftvolle Selbstfürsorge uns dazu befähigen, mutig aufzustehen und für uns einzustehen, wenn wir nicht mit der uns zugedachten Rolle und Position einverstanden sind. Hierzugehört auch, dass wir mit unserer (berechtigten) Wut umgehen, ohne aggressiv, abwertend oder unterwürfig zu sein. Es gibt Situationen –auch in Unternehmen-, die es erfordern in Aktion zu treten. Vielleicht sogar mutig aufzustehen und für Änderungen einzutreten. Wenn Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt oder sogar gedemütigt werden, sollten wir nicht leise und freundlich bleiben. Hier bedarf es mutigen Handelns und einem lauten und sichtbaren Aufzeigen, dass diese Grenzüberschreitung nicht hinnehmbar ist. Auch dies ist ein Akt der Selbstfürsorge und ein klares Bekenntnis für ein achtsames und wertschätzendes Miteinander.
Beitrag von unserer Trainerin Louise Gebele